» Masern, SSPE
Masern
gelten als harmlose
Kindererkrankung. Ganz so belanglos ist die
Erkrankung aber nicht. Das Masernvirus führt meistens nämlich
zu einer vorübergehenden Immunschwäche. Solange diese besteht
(6-8 Wochen), können Infektionen des Mittelohrs, der Lunge und der
oberen Atemwege durch Bakterien auftreten. Gelegentlich kommt es auch
zu einer Gehirnentzündung, ohne dass das Virus sich selber im
Gehirn vermehrt (sogenannte postinfektiöse Enzephalitis).
Die SSPE (Subakut
sklerosierende Panenzephalitis) ist die schlimmste
Komplikation nach einer Maserninfektion. Sie zieht eine
generalisierte
Entzündung des Gehirns mit Nerven-Demyelinisierung (Entmarkung)
und schwersten Schäden nach sich und endet tödlich. Bei der
SSPE werden Virusmutanten vorgefunden, die ein verändertes
M-Antigen (M-Protein oder Matrix-Protein) enthalten, gegen das die
Patienten nicht ausreichend Antikörper bilden.
Aus unbekannten Gründen bricht die Erkrankung Monate bis zehn
Jahre nach einer Maserninfektion auf, im Durchschnitt nach sieben
Jahren. Normalerweise tritt sie zwischen dem vierten und vierzehnten
Lebensjahr auf.
Der Beginn ist schleichend, der Verlauf langsam progredient über
ein bis drei Jahre - die SSPE zählt zu den sog. Slow Virus
Infections - in 10 % der Fälle tritt ein akuter, schnellerer
Verlauf (3 bis 6 Monate), in weiteren 10 % ein langsamerer Verlauf
(länger als drei Jahre) auf.
Es lassen sich drei Stadien der SSPE
abgrenzen. Am Anfang stehen
psychische Veränderungen: Interesselosigkeit, Apathie,
nächtliche Angst, Wutausbrüche, Halluzinationen und
Verschlechterung der schulischen Leistungen.
Im zweiten Stadium, nach einigen Monaten, können abrupte,
unwillkürliche Bewegungen (sog. Myoklonien), die periodisch
auftreten, und epileptische Anfälle, gepaart mit Muskelhypertonie
der Extremitäten, sowie zunehmendem geistigem Abbau auftreten. Im
EEG finden sich typische Veränderungen, die nahezu signifikant
für die SSPE sind (Radermecker-Komplex). Im dritten Stadium kommt
es zum Dezerebrationssyndrom (Wachkoma).
Die Häufigkeit der SSPE
wurde früher mit 5 bis 10 pro 1
Million Masernfällen angegeben. Die neuere Literatur geht jedoch
von einer Häufigkeit von etwa 1:10.000
Infizierten aus.
Die SSPE tritt als Spätfolge in den meisten Fällen bei
Kindern auf, die als Baby vor dem 1.
Geburtstag an Masern erkrankten. Da diese besonders
gefährdeten
Kinder noch nicht geimpft werden dürfen (Impfung frühestens
mit 11 Monaten!), sind sie nur
geschützt, wenn sie sich aufgrund einer durchgeimpften Umgebung
gar nicht erst anstecken können.